9-Euro-Ticket-Erlebnisbericht: Mit dem „Kuschelzug“ nach Frankfurt
Ein Wagnis mit Hindernissen
„Komm wir kaufen uns auch mal noch zwei Tage vor dem Ablaufen des 9-Euro-Tickets ein solches und fahren mit den Kindern nach Frankfurt“, sagte ich zu meiner Frau. Also haben wir es gewagt und sind am vergangenen Dienstag, 30.08.2022, mit der Bahn ab Türkismühle bis nach Frankfurt gefahren.
Zuvor haben wir uns Proviant in zwei Rucksäcke gepackt und sind dann mit insgesamt sechs Kindern (im Alter zwischen 3 und 13 Jahre) mit zwei Autos nach Türkismühle gefahren. Am Bahnhof haben wir dann am Automaten für meine Frau und mich jeweils ein 9-Euro-Ticket gekauft. Die Kinder waren bereits versorgt oder zu jung, um ein Ticket zu brauchen.
Zug beim Einstieg schon voll
Um 9:33 Uhr kam die RE 3 der Vlexx am Bahnhof in Türkismühle an und wir stiegen mit den unzähligen Wartenden am Bahnsteig in den bereits völlig überfüllten Zug ein.
Schon zuvor haben wir nichts Gutes erahnt. Dass er wohl voll sein würde oder es werden könnte, war uns klar. Aber dass er schon so früh so voll sein wird, damit haben wir nicht gerechnet. Einen Sitzplatz gab es entsprechend nicht mehr. Hier hatte Vlexx schon vorgesorgt und zwei Wagenteile zusätzlich geführt – der Zug war also doppelt so lang. Wir stiegen im hinteren Teil ein, wo es noch Platz in einem Bereich gab, der normalerweise für Rollstuhlfahrer und Kinderwagen frei bleiben sollte. Doch auch diese „Plätze“ waren durch Fahrräder blockiert, obwohl es mit einem Hinweisschild „verboten“ ist. Also hatten wir keine andere Wahl und blieben stehen.

(c) Florian Blaes
Lautsprecherdurchsagen, die wir so noch nie hörten
Und dann wurde die eigentliche Fahrt von fast zweieinhalb Stunden immer interessanter. Zumindest was die Lautsprecherdurchsagen anging. Von Bahnhof zu Bahnhof in Fahrtrichtung Frankfurter Hauptbahnhof wurde der Zug immer voller. Der Zugbegleiter musste immer mehr Reisende auf die Maskenpflicht in Zügen hinweisen. Unser Stehplatz war neben der 1. Klasse. Die war überraschenderweise sehr gut gefüllt. Bis der Zugbegleiter auch dort mal kontrollieren ging. 80 Prozent der dort Sitzenden waren keine 1-Klasse-Reisenden. Kurze Zeit später folgte die Durchsage: „Meine Damen und Herren, hiermit gebe ich die 1. Klasse für alle frei. Wenn es jedoch Erste-Klasse-Reisende geben sollte, bitte ich, dass für sie auch freigemacht wird“, und sogleich gab es großen Beifall im gesamten Zug. Es brauchte keine zwei Minuten, bis auch das Abteil komplett überfüllt war.
Es wurde immer voller und enger – folglich wurde auch die Temperatur und Stimmung immer heißer im Zug. Nach einer Abfahrt kam dann einer der wohl interessantesten Durchsagen, die ich bislang gehört habe: „Meine Damen und Herren, wir vom Vlexx-Team heißen die neu zugestiegenen Fahrgäste herzlich Willkommen im Kuschelzug nach Frankfurt. Sie haben alle sicherlich bereits mitbekommen, dass es sehr kuschelig in unserem Zug ist und bitten alle jüngeren und nicht gebrechlichen Fahrgäste, Platz für die älteren Reisenden zu machen. Vielen Dank!“ Ein lautes Schmunzeln ging durch die Reihen.
Von Bahnhof zu Bahnhof wurde der Halt immer länger, da sich die Türen nicht mehr schließen konnten. Es kam immer wieder die Durchsage: „Bitte die Türen freimachen, sonst können wir nicht weiterfahren, es geht von Ihrer Zeit ab…“ Und es wurde auch immer später und später und die Zeit lief weiter. Eigentliche Ankunft sollte um 11:49 Uhr sein.
Dann kam eine weitere Durchsage, die wir so noch nie gehört hatten: „Meine Damen und Herren, ich würde Sie bitten, Ihre ‚Astralkörper‘ von den Knöpfen an den Wänden zu entfernen, unserem Triebwagenführer fallen gerade die Ohren ab, weil fast jeder Piepston gerade klingelt, den dieser Zug besitzt. Bitte aufpassen, wo Sie sich gegenlehnen.“ Nun was soll ich sagen, über diese Aussage wurde nicht mehr so viel geschmunzelt – eher geärgert. Ich lasse es mal so stehen…
Androhung der Räumung des Zuges
Zwei Halte vor dem Frankfurter Hauptbahnhof spitze sich die Lage an den Türen zu und es ging und ging einfach nicht weiter. „Bitte die Türen freimachen, sonst informiere ich die Bundespolizei und lasse den kompletten Zug räumen“, kam als Durchsage vom Triebwagenführer dieses Mal. Alle anderen Durchsagen kamen vom Zugbegleiter. Dann klappte es auf einmal. Es war zu eng und viele sind dann doch am Bahnsteig stehen geblieben oder wieder ausgestiegen.
Mit 20 Minuten Verspätung sind wir schließlich um 12:09 Uhr am Hauptbahnhof in Frankfurt angekommen. Dort wurde erst mal „frische“ Luft getankt.

Sreenshot der DB App
Doch wer meint meine Geschichte endet hier, täuscht sich. Nun, das dachte ich eigentlich auch. Aber wir erlebten wohl alles an diesem Dienstag, was man bei Bahnfahren nur erleben kann. Hier fasse ich allerdings nur kurz zusammen:
Fliegender Koffer und frische Kotze
Am frühen Abend waren mir mit der S-Bahn vom Hauptbahnhof zum Flughafen Frankfurt unterwegs. Die Kinder wollten noch auf die Besucherterrasse. Wir fuhren die sehr lange Rolltreppe hinunter, als plötzlich von ganz oben ein großer Koffer auf fiel. Ich war schon unten, meine Frau mit einem Kind vor sich noch auf der Treppe. Der Koffer flog genau gegen ihr Bein und verletzte sie ordentlich. Es wurde folglich rot und schwarz in den folgenden Tagen – neben den Schmerzen, die sie seitdem hatte.
Eine Entschuldigung von dem Reisenden, dessen Koffer die Treppe herabstürzte, gab es nicht. Schließlich kam die Bahn. Dieser Zug war beim Einstieg ebenfalls restlos überfüllt. Ich blieb mit einem Kind im Eingangsbereich stehen. Dann meinte hier ein erwachsener Reisegast mal eben, Erbrechen zu müssen – und das auf meine Füße. Der Ekel stand mir im Gesicht. Am nächsten Halt ist er Gott sei Dank ausgestiegen.
Von großer Verspätung zur plötzlich totalen Pünktlichkeit
Nach unserem Aufenthalt am Flughafen wollten wir um 18:24 Uhr mit der RE 3 wieder zurück nach Türkismühle. Die App zeigte uns dann aber eine Verspätung von 24 Minuten an. Der Zug würde also um 18:48 Uhr ankommen. Grund sei ein Personalausfall. Also machten wir uns so auf den Weg, um dann um 18:45 Uhr am Bahnsteig zu sein. Wir kamen aber gut durch und waren um 18:24 Uhr am Bahnsteig und waren total verwundert, als der Zug dann schon dort stand. Schnell die Kleinen auf den Arm und die Rolltreppe wahrlich runter gerannt. Und dann – vor unserer Nase – haben sich die Türen geschlossen und der Zug fuhr ab. Nichts war mehr zu machen. Ich blickte schnell auf die App und plötzlich war alles grün, keine Verspätung mehr. Dafür wurde der Zug eine Stunde später komplett gestrichen. Meine Frau und ich waren stinksauer.
Endlich ein Sitzplatz
Jetzt mussten wir wieder über zwei Stunden warten, bis ein Zug in Richtung Türkismühle kommen würde. Das war dann um 20.08 Uhr ab Frankfurt Hauptbahnhof. Wir sind mit der S-Bahn wieder zurück zum Hauptbahnhof, mit dem Gedanken, wenn der Zug einfährt, dass wir recht schnell einsteigen können und dann noch einen Sitzplatz bekommen. Dieses Mal hatten wir wirklich Glück: Der Zug von Vlexx kam etwa 15 Minuten vor der Abfahrt an und wir haben alle Sitzplätze bekommen. Nun dachten wir, kann nichts mehr passieren…wir täuschten uns.
Notfall im Zug
Zunächst wurde der Zug immer voller, wie auch bei der Hinfahrt. Aber diese Mal ohne „interessante“ Durchsagen und wir hatten Sitzplätze.
Die Zugbegleiterin ging durch die Reihen und musste erneut sehr viele auf die Maskenpflicht hinweisen. Ein Paar meinte auch mit ihr diskutieren zu müssen und setzte diese auch nach dem Hinweis nicht auf (Gemacht wurde in diesem Fall übrigens nichts).
Wir hatten bereits seit Frankfurt einen Fahrgast im Zug, der uns immer wieder aufgefallen ist. Er saß mal hier, mal da. Trug keine Maske und hatte den Kopf immer nach unten, wenn einer vorbeigekommen ist. Zwei Halte vor unserem Ziel in Idar-Oberstein wurde es hektisch im Zug. Die Zugbegleiterin, die durchaus sehr nervös war, stoppte den Zug und rief den Notarzt. In einer Durchsage machte sie klar, dass wir nun wegen es Notarzteinsatzes stehen werden. Die Türen würden geöffnet und alle durften rauchen oder frische Luft schnappen. Die Stimmung war tief am Boden. „Das kann doch alles nicht sein“, dachten wir. Nach etwa 20 Minuten ging die Fahrt weiter, nachdem ein Rettungswagen des DRK den Reisenden mit einem Migräneanfall behandelte. In Türkismühle kamen wir dann schließlich anstatt um 22:24 Uhr um genau 23 Uhr an.

(c) Florian Blaes
Fazit
Wir haben an diesem Tag mit dem 9- Euro-Ticket wohl alles erlebt, was man während einer Fahrt erleben kann. Dem Verzweifeln nahe! Würden wir es wieder machen? Ganz klar: Nein.
Erzählen Sie uns von Ihren Erfahrungen auf der Reise mit Ihrem 9-Euro-Ticket.
Eigene Recherche